Jac­ques Tilly und die Wand der Nach­rich­ten © Lokalbüro

 

Von Man­fred Fammler

Wie eng Lob und Hass zusam­men­lie­gen, davon weiß Jac­ques Tilly all­jähr­lich nach Rosen­mon­tag ein Lied zu sin­gen. Auch in die­sem Jahr wurde der Sati­ri­ker Ziel­scheibe für wüste Beschimp­fun­gen, ins­be­son­dere aus dem rech­ten Spek­trum. „Ich werde nichts ändern“, stellte er fest – zumal seine poli­ti­schen und gesell­schafts­kri­ti­schen Ideen die Kern­marke des Düs­sel­dor­fer Rosen­mon­tags­zugs bilden.

Irgend­wie ist Rosen­mon­tag der Hei­lige Abend der Sati­ri­ker. Kaum haben die bis zum letz­ten Moment geheim gehal­te­nen Mot­to­wa­gen die Halle ver­las­sen, beginnt die Jagd auf die ers­ten Motive – und dies bei­leibe nicht nur in Düs­sel­dorf. Til­lys Mot­to­wa­gen bege­ben sich ab sofort auf Welt­reise. Und wo Welt­reise drauf­steht, ist Welt­reise gemeint. In 508 Arti­keln, ver­teilt auf 67 Län­der, wur­den die sati­ri­schen Bot­schaf­ter Düs­sel­dorfs ver­öf­fent­licht. Häu­fig jedoch nicht als Bericht, zen­triert auf den Kar­ne­val in Düs­sel­dorf, son­dern als Sym­bol­bild für den Zustand der poli­ti­schen Weltkarte.

Der popu­lärste Mot­to­wa­gen im Jubi­lä­ums­jahr des Kar­ne­vals war dem­nach die Dar­stel­lung des „Hit­ler-Sta­lin-Pakts 2.0“, auf dem sich der Auto­krat Putin und der Fast-Auto­krat Trump die Hände rei­chen und dabei den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Selen­skyj zer­quet­schen. Auf Platz zwei lan­dete der Des­po­ten­säck­chen­wa­gen, eben­falls mit Putin und Trump. Ergänzt wurde das Pär­chen aller­dings um den chi­ne­si­schen Macht­ha­ber Xi. Die­ser Wagen wurde übri­gens in Medien des Vati­kans abge­bil­det – aller­dings nur bis zum Bauch­na­bel. Mehr Satire ver­steht die katho­li­sche Kir­che dann doch nicht.

Wie sehr Til­lys Ideen die welt­po­li­ti­sche Moment­auf­nahme wider­spie­geln, ver­deut­licht ein­mal mehr die Häu­fig­keit der Ver­öf­fent­li­chun­gen in Bezug auf das Land. Lag bis­lang die USA auf Platz 1 – wobei in die­sem Jahr einige ehe­mals libe­rale Blät­ter sogar auf die rhei­ni­sche Dar­stel­lung ihres Prä­si­den­ten gänz­lich ver­zich­te­ten –, eroberte Süd­ko­rea nun die Spit­zen­po­si­tion. „Den Grund kenne ich nicht“, so Tilly ach­sel­zu­ckend. Womög­lich lag es aber an der zu dem Zeit­punkt wäh­ren­den innen­po­li­ti­schen Krise in dem ost­asia­ti­schen Land. Ein ehe­ma­li­ger Staats­prä­si­dent hatte für sechs Stun­den das Kriegs­recht aus­ge­ru­fen, um durch einen Putsch­ver­such das demo­kra­ti­sche Land in eine Auto­kra­tie zu ver­wan­deln. Ein Schreck für das Volk, das die Kon­se­quen­zen eines erfolg­rei­chen Umstur­zes in Til­lys Wagen wiederfand.

Tilly: „Wir nähern uns einer Welt­kul­tur.“ So betrach­tet Tilly seine Mot­to­wa­gen als Kom­men­tar zu den poli­ti­schen Ereig­nis­sen. Tref­fende Worte fand dazu Uwe Wil­ler, CC-Geschäfts­füh­rer: „Der Kern des Düs­sel­dor­fer Kar­ne­vals mani­fes­tiert sich in der poli­ti­schen Schärfe.“

Die­ses Jahr habe er Lob in einem Umfang erhal­ten, wie „ich es noch nie erfah­ren habe“, freute sich Tilly. Doch was ist mit den Hass­nach­rich­ten? Er liebe die Streit­kul­tur, so der Düs­sel­dor­fer. „Die Nach­rich­ten zei­gen jedoch, dass ein Riss durch unsere Gesell­schaft geht.“ Klein bei­geben werde er nicht. Schließ­lich stehe der Kar­ne­val für Offen­heit, Plu­ra­lis­mus und Tole­ranz – und seine Wagen „gel­ten viel­leicht als Hoff­nungs­schim­mer.“ Und des­we­gen: „Immer feste druff!“

„Hitler-Stalin-Pakts 2.0“ © Lokalbüro

„Hit­ler-Sta­lin-Pakts 2.0“ © Lokalbüro