
Jürgen Gocht geht mit wachen Augen durch die Stadt © Gabriele Schreckenberg
Von Gabriele Schreckenberg
Bekannt wie ein bunter Hund ist Jürgen Gocht. Er kann nicht durch Lohausen gehen, das Dorf mit Herz, ohne dass ihn viele Passanten ansprechen, ihm auf die Schulter klopfen, ihm zuwinken.
Bekannt oder bunt oder beliebt? Wahrscheinlich alles.
Jürgen Gocht ist der dienstälteste Politiker in der Bezirksvertretung 05 im Kaiserswerther Rathaus. Seit 1989 gestaltet er für seine Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, aktiv Kommunalpolitik. In den Rat wollte Gocht nie. Da könne er nicht so viel bewegen wie vor Ort.
Nun tritt er nicht mehr an. Er wird fehlen, denn seine Bonmots in den monatlichen Sitzungen der Bezirksvertretung waren nicht nur rhetorisch ausgefeilt, sie waren oft auch noch witzig. Und diese Kombination gibt es selten.
Gute Verbindung zu den Nachbarn
Was er am meisten geschätzt hat in den 36 Jahren Kommunalpolitik, war die gute Verbindung zu den Nachbarn.
Gocht ist als Pilot viel in der Welt herumgekommen. Schon lange, bevor Fernreisen in Mode waren, kannte er den Iran und die USA.
Später hat er die „Jugendberufshilfe“ in Lohausen geleitet und den sogenannten „Welcome Point“ an der Niederrheinstraße. Denn als Angela Merkel 2015 angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise bei der Öffnung der ungarischen Grenze sagte: „Wir schaffen das!“, war Jürgen Gocht mit am Start und kümmerte sich praktisch um die Unterbringung, die Versorgung und Ausstattung der Flüchtlinge.
Es wurden Kleiderkammern eingerichtet, die bestehenden Netzwerke gepflegt und angezapft – so, wie es sich gehört.
Doch Gocht, Jahrgang 1947, ist ein hellwacher Geist und tritt auch politisch nicht auf der Stelle.
Themen, die ihn umtreiben
Jürgen Gocht lebt mit seiner großen Familie in Lohausen, also da, wo die Flugzeuge alle paar Sekunden darüber fliegen, manchmal so tief, dass man denkt, man könne den Bauch der Maschine berühren. Und doch liebt er das Dorf mit Herz, eben weil es ein Dorf mit Herz ist.
Dass Verkehr also ein Aufreger für ihn ist, wundert nicht.
Er bedauert manche Entscheidung der Stadtspitze, etwa dass es am Freiligrathplatz keinen unterirdischen Umsteigebahnhof Richtung Rhein gibt. Auch eine Verlängerung der B52 von Unterrath zum Flughafen hätte er sinnvoll gefunden. Man hätte auch die S1 mit dem Stadtbahnnetz verbinden können, und zwar auf einem Gleisbett. Er führt Stockholm als Vorbild an – das könne Düsseldorf auch.
Die fehlende Anbindung an den Fernbahnhof kritisiert er seit Langem. Es gibt schlicht keine Querverbindung, keinerlei Anbindung nach Lohausen. Gocht kritisiert den Verkehrsdezernenten Jochen Kral dafür scharf. Die Stadt habe hier viel verschlafen.
Grünflächenerhalt für Kinder
Jürgen Gocht mag Kinder, hat mehrere davon und einige Enkel. Nicht nur für sie fordert er den großzügigen Flächenerhalt.
Er verweist auf den Schwarzbach, den Kittelbach, den Rhein. „Wir sind ein wasserreicher Bezirk“, betont er. Das Stadtklima, Retentionsflächen und die Erwärmung sind Themen, die ihn umtreiben.
„Ratingen ist auf Platz zwei der Städte, die die Erwärmung erfolgreich zurückdrängen konnten“, sagt er. Sie haben viele Grünflächen geschaffen. „Bei uns fehlt das Konzept.“
Jürgen Gocht ist gegen den Verkauf von Freiflächen. Und für die Starkregenfälle, wie sie inzwischen häufiger passieren, habe die Stadt nicht genug Retentionsflächen.
Bauen im Bestand planen
Er verweist auf die Planung der Kaiserswerther Diakonie, am Hingesberg in Zeppenheim 400 Wohnungen bauen zu wollen. Das Projekt liege nun auf Halde. Die Frage sei auch, ob dieser Wohnraum wirklich für die Mitarbeitenden der Diakonie sein solle. Ob die das überhaupt wollen?
„Was die Schaffung von Wohnraum angeht, rate ich der Kaiserswerther Diakonie, auf dem alten Gelände zu schauen, was umgebaut und verwandelt werden kann. Da gibt es sicher jede Menge Möglichkeiten!“
Für die Bebauung Kalkumer Schlossallee gebe es kein Verkehrskonzept.
Und auch den Neubau der Radwege sieht Gocht kritisch: „Mehr als 2,8 Kilometer Radwege wurden ja gar nicht gebaut. Nicht einmal entlang der Niederrheinstraße verläuft ein guter Radweg.
Und warum nutzt die Stadt mit 50-prozentigen Rechten nicht die Kapazitäten des Flughafens? Und warum gibt es keinen Schnellbus vom Fernbahnhof nach Lohausen oder in den ganzen Stadtnorden?“
Wie Jürgen Gocht tickt
Er ist im Grunde ein Menschenfreund, aber auch ein Menschenfänger. Gocht denkt schnell, redet schnell, handelt schnell. Er ist zupackend, sehr kommunikativ.
Gocht kann aufmerksam zuhören. Er ist kritikfreudig und spricht gern Klartext. Empathisch ist er auch. Seine Art scheint manchmal ruppig, doch er hat das Herz auf dem rechten Fleck.
Den Menschen im Stadtnorden ist er sehr verbunden und hat viel für sie getan. Immer wieder hat er politischen Nachwuchs nach Kräften gefördert.
Nun ist er wohl noch häufiger im Dorf mit Herz mit dem Rad unterwegs. Und hat Zeit für einen Schnack, wie es so üblich ist im Rheinland.

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