Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Ste­phan Kel­ler bei sei­ner Neujahrsansprache,©Landeshauptstadt Düsseldorf

 

In sei­ner Neu­jahrs­an­spra­che fasst Oberbürgermeister Dr. Ste­phan Kel­ler die Her­aus­for­de­run­gen der ver­gan­ge­nen Jahre zusam­men und betont, dass die Stär­kung der Demo­kra­tie als Grund­lage für ein gutes und fried­li­ches Mit­ein­an­der in unse­rem Land und in Düsseldorf die zen­trale Auf­gabe für 2024 ist. Sie ist Grund­lage für Wohl­stand und ein Leben in Frei­heit und Selbstverantwortung.

OB Kel­ler wird sein Enga­ge­ment für den Schul- und Woh­nungs­bau sowie die Düsseldorfer Wirt­schaft fort­set­zen. Für das kom­mende Jahr for­dert er mehr Klar­text und weni­ger bürokratische Hürden von der Poli­tik. Er lobt die Welt­of­fen­heit der Lan­des­haupt­stadt und betont zudem Eigen­schaf­ten, die die Düsseldorfer Gesell­schaft aus­ma­chen: Solidarität, Kreativität, Cou­rage und Hilfsbereitschaft.

Der Ober­bür­ger­meis­ter nennt drei Schritte, um die Risse in der Demo­kra­tie zu hei­len und den Zusam­men­halt zu stär­ken: Mut, Ver­ant­wor­tung und Zivil­cou­rage. Die Neu­jahrs­an­spra­che wird auf den Social Media-Kanälen, der Inter­net­seite und dem You­Tube-Kanal der Stadt unter www.youtube.com/stadtduesseldorf veröffentlicht.

Die Neu­jahrs­an­spra­che von Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Ste­phan Kel­ler im Wortlaut:

Liebe Düs­sel­dor­fe­rin­nen, liebe Düsseldorfer,

heute ist der erste Tag im neuen Jahr 2024. Ein span­nen­des und weg­wei­sen­des Jahr liegt vor uns. Ein Jahr, in dem wir alle gefragt sein werden.

Ja, die ver­gan­ge­nen Jahre und Monate waren für uns alle sehr her­aus­for­dernd. Viele von uns haben sich ver­aus­gabt. In der Pan­de­mie, bei der Flut, im Ein­satz für Geflüch­tete. Viele haben Ver­wandte oder Bekannte im Krieg. In der Ukraine oder im Nahen Osten. Viele sind erschöpft und sagen – was kommt denn als nächs­tes? Wie viel mehr kön­nen wir denn gemein­sam stemmen?

Ich kann das ver­ste­hen. Denn auch ich habe mich oft gefragt, was da gerade los ist in der Welt. Immer, wenn man denkt, dass man eine Krise gerade im Griff hat, gibt es schon wie­der eine neue Her­aus­for­de­rung, die man beherzt anpa­cken muss. Das ist eine Erfah­rung, die wir alle gemacht haben.

Das Jahr 2024 wird des­halb sicher ein Jahr, in dem wir die wesent­li­chen Dinge in den Fokus neh­men müs­sen, damit sie in der Flut der neuen Auf­ga­ben und Anfor­de­run­gen nicht untergehen.

Dazu gehört für mich unsere Demo­kra­tie. Ja! Demo­kra­tie ist manch­mal eine Zumu­tung. Denn Demo­kra­tie bedeu­tet, dass man immer um den rich­ti­gen Weg mit­ein­an­der rin­gen, mit­ein­an­der dis­ku­tie­ren muss. Das ist anstren­gend und manch­mal ermü­dend. Und doch ist gerade unsere Demo­kra­tie die Grund­lage für ein gutes und fried­li­ches Mit­ein­an­der bei uns im Land und bei uns in Düs­sel­dorf – und die Grund­lage für unse­ren Wohl­stand und ein Leben in Frei­heit und Selbstverantwortung.

Ich kann es ver­ste­hen, dass es im gan­zen Stress der ver­gan­ge­nen Jahre Momente gab, in denen man den­ken konnte: Müs­sen wir das jetzt wirk­lich noch­mal dis­ku­tie­ren? Kann das nicht ein­fach jemand für uns ent­schei­den? Müs­sen wir immer selbst Ver­ant­wor­tung über­neh­men? Doch die Ant­wort ist klar: Ja. Das müs­sen wir. Denn es ist ein gro­ßes Pri­vi­leg. Und wir müs­sen uns dar­über klar sein: In einer Demo­kra­tie zu leben, selbst über den Weg, den unser Land und unsere Stadt ein­schlägt, mit­be­stim­men zu dür­fen – das ist kei­nes­falls eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Wir erle­ben in immer mehr Län­dern, auch in Län­dern in unse­rer Nach­bar­schaft, dass Demo­kra­tie aus­ge­höhlt und ent­kernt wird, dass demo­kra­ti­sche Pro­zesse in Frage gestellt oder sogar abge­schafft werden.

So weit ist es hier bei uns noch nicht. Zum Glück! Doch es gibt auch bei uns erste Anzei­chen, die wir beach­ten müs­sen – und denen wir uns ent­schie­den ent­ge­gen­stel­len müs­sen. Denn auch bei uns sind anti­de­mo­kra­ti­sche Grup­pie­run­gen gerade stark im Auf­wind. Das ist ein gefähr­li­cher Trend, dem wir in die­sem Jahr gemein­sam geschlos­sen ent­ge­gen­tre­ten müs­sen, um ihn zu stop­pen. Denn der Zusam­men­halt in unse­rer Stadt­ge­sell­schaft steht auf dem Spiel.

Sie haben es in den ver­gan­ge­nen Mona­ten sicher auch gespürt: Es gehen kleine Risse durch unsere Gesell­schaft. Noch zei­gen sie sich nicht klar. Sie sind eher unter­schwel­lig bemerk­bar und nur hier und da sicht­bar. Das bedeu­tet: Wir kön­nen sie noch hei­len. Wir kön­nen dafür sor­gen, dass wir in unse­rer Gesell­schaft, in unse­rer Stadt und unse­rem Land den Zusam­men­halt bewahren.

Wie kön­nen wir das errei­chen? Als Ers­tes gehört für mich der Mut dazu, Pro­bleme ehr­lich anzu­spre­chen. Wir leben in einer Kon­sens­ge­sell­schaft, und es gibt über­all eine starke Zurück­hal­tung, wenn es darum geht, unan­ge­nehme Wahr­hei­ten klar zu benen­nen. Es wird also zum Bei­spiel so getan, als könne man eine Trans­for­ma­tion hin zu CO2-Neu­tra­li­tät ein­fach so errei­chen, ohne, dass jemand sein Ver­hal­ten ändern muss. Wenn es dann jedoch an die Umset­zung geht, kommt, oh Wun­der, her­aus, dass das natür­lich nicht funk­tio­nie­ren kann. Es wurde auch ver­säumt, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es natür­lich kein Kin­der­spiel ist, vie­len Geflüch­te­ten in unse­rer Gesell­schaft nicht nur ein Obdach zu gewäh­ren, son­dern sie rich­tig in unsere Gesell­schaft, in unse­ren Arbeits­markt und in unsere Kul­tur zu inte­grie­ren. Es ist mög­lich. Aber es braucht sehr viel Enga­ge­ment, viel guten Wil­len und viel Herz­blut – von allen Beteiligten.

Natür­lich weiß man auch von Sei­ten der Poli­tik nicht immer, wel­che Aus­wir­kun­gen die getrof­fe­nen Ent­schei­dun­gen ganz genau haben wer­den. Gerade, wenn es sich um Ent­schei­dun­gen han­delt, die vor­her so noch nicht getrof­fen wur­den, wie in der Ener­gie­krise und der Flücht­lings­krise. Aber was ich von der Poli­tik fürs Jahr 2024 erwarte, ist: mehr Klar­text. Und auch ich werde mich natür­lich dar­an­hal­ten und mes­sen lassen!

Als Zwei­tes gehört für mich dazu, dass wir selbst mehr Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Wir haben uns in einer “Voll­kas­ko­ge­sell­schaft” ein­ge­rich­tet. Wir haben ver­sucht, alles zu regu­lie­ren, sodass es keine Risi­ken mehr gibt. Ich sehe das bei uns in der Stadt­ver­wal­tung in unse­ren Ämtern, wo sich die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen jeden Tag aufs Neue hart­nä­ckig bemü­hen, Wege durch den Büro­kra­tie­dschun­gel zu fin­den. Es gibt so viele Klei­nig­kei­ten, die büro­kra­tisch gere­gelt sind, dass man oft den Wald vor lau­ter Bäu­men nicht mehr sieht. In Zei­ten, in denen man nichts Ande­res zu tun hat, kann das ja noch klap­pen. Aber in anspruchs­vol­len Zei­ten wie gerade fühlt es sich oft so an, als hät­ten wir uns mit unse­ren Regu­lie­run­gen selbst gefes­selt. Wir müs­sen uns so viel mit Klein-Klein beschäf­ti­gen, dass wir viel zu wenig Ener­gie übrig­ha­ben, um uns um die wirk­lich wich­ti­gen The­men zu küm­mern. Außer­dem dau­ert alles zu lange. Wie sol­len zum Bei­spiel die Trans­for­ma­tion und der Koh­le­aus­stieg bis 2030 gelin­gen, wenn es von der Bean­tra­gung bis zur Inbe­trieb­nahme eines Wind­ra­des fünf bis sie­ben Jahre dau­ert? Bei was­ser­stoff­fä­hi­gen Gas­kraft­wer­ken sind wir für Geneh­mi­gung und Bau eben­falls bei fünf bis sechs Jah­ren! Und wie sol­len wir die nöti­gen Schu­len und Woh­nun­gen bauen, wenn die Bau­un­ter­neh­men uns sagen, dass sie mehr Ener­gie in die Berück­sich­ti­gung aller Vor­schrif­ten als in den eigent­li­chen Bau inves­tie­ren müssen?

Hier ist in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten viel falsch gelau­fen, und es gibt aku­ten Hand­lungs­be­darf. Wir müs­sen die Büro­kra­tie wie­der auf ein nor­ma­les Maß zurück­fah­ren. Dabei ist jedoch nicht nur die Poli­tik, son­dern es sind auch alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger gefragt. Denn sie müs­sen mit­ma­chen und akzep­tie­ren, dass alle auch für sich selbst Ver­ant­wor­tung über­neh­men müs­sen – und dass man nicht alles an den Staat dele­gie­ren kann.

Ich ver­spre­che Ihnen, dass auch wir in der Stadt­ver­wal­tung Ver­ant­wor­tung über­neh­men und stark in unsere Zukunft inves­tie­ren. Wir bauen trotz büro­kra­ti­scher Hemm­nisse mehr Schu­len und mehr Woh­nun­gen, wir rich­ten unsere Stadt nach­hal­ti­ger aus, und wir blei­ben wei­ter­hin ein ver­läss­li­cher Part­ner für unsere Wirt­schaft. Wir stel­len das in den Mit­tel­punkt unse­rer Arbeit, was Men­schen wich­tig ist: ein Dach über dem Kopf, eine gute Arbeits­stelle und Lebens­qua­li­tät in der Stadt!

Und, last, but not least: Als Drit­tes gehört für mich dazu, dass wir Zivil­cou­rage zei­gen müs­sen. Jede und jeder von uns muss für unsere Werte ein­ste­hen und sie, wenn es nötig ist, auch aktiv und laut ver­tre­ten. So hätte ich mir zum Bei­spiel nie­mals vor­stel­len kön­nen, dass Jüdin­nen und Juden wie­der Angst haben müs­sen, wenn sie in Deutsch­land über die Straße gehen. Doch das ist gerade wie­der der Fall. Ich denke, hier sind wir alle einer Mei­nung: Das kann nicht sein, und das dür­fen wir nicht zulassen!

Düs­sel­dorf ist und war schon immer eine welt­of­fene Stadt. Gerade hier bei uns leben und arbei­ten Men­schen aus vie­len Län­dern und Kul­tu­ren seit Jahr­zehn­ten erfolg­reich und freund­schaft­lich mit­ein­an­der. Eine welt­of­fene, viel­fäl­tige und demo­kra­ti­sche Gesell­schaft ist ein unglaub­lich gro­ßer Wert an sich, der wich­tig für unsere Stadt ist, auf den wir stolz sind – und den wir ver­tei­di­gen müs­sen. Auch wenn uns da der Wind manch­mal ins Gesicht weht.

Hier wer­den wie­der die Eigen­schaf­ten zäh­len, die Düs­sel­dorf auch aus­ma­chen: die große Soli­da­ri­tät, Krea­ti­vi­tät, Cou­rage und Hilfs­be­reit­schaft aller Düs­sel­dor­fe­rin­nen und Düs­sel­dor­fer, die uns hier aus­zeich­nen, die uns bis­her durch alle Kri­sen getra­gen haben – und auf die ich wirk­lich sehr stolz bin!

Wir haben in die­sem Jahr Euro­pa­wahl. Die EU ist wohl das sicht­barste Zei­chen dafür, dass sich ganz unter­schied­li­che Staa­ten zusam­men­ge­rauft haben, um in Frie­den und Gemein­schaft mit­ein­an­der zu leben. Auch das ist nicht immer leicht. Und auch hier gibt es Staa­ten, die gerne mal ihr eige­nes Ding machen. Doch alles in allem sorgt die EU seit mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert bei uns für Frie­den, Sta­bi­li­tät und Wohl­stand. Gerade in den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat sich gezeigt, dass auch das keine Selbst­ver­ständ­lich­keit ist und dass wir unser Zusam­men­le­ben in Europa ver­tei­di­gen müssen.

So schließe ich heute mit einer Bitte: Blei­ben Sie mutig. Über­neh­men Sie Ver­ant­wor­tung. Zei­gen Sie Zivil­cou­rage. Und brin­gen Sie sich aktiv in unsere demo­kra­ti­schen Pro­zesse ein. Denn das ist der Schlüs­sel, um unse­ren Zusam­men­halt zu stär­ken und unsere Gesell­schaft jeden Tag ein biss­chen bes­ser zu machen.

Ich danke Ihnen für das große, mir ent­ge­gen­ge­brachte Ver­trauen in den bis­her drei Jah­ren mei­ner Amts­zeit. Ich ver­spre­che Ihnen, dass ich mich auch in die­sem Jahr mit gan­zer Kraft und aus gan­zem Her­zen für Düs­sel­dorf ein­set­zen werde. Und ich wün­sche Ihnen und Ihren Lie­ben von gan­zem Her­zen nur das Beste und ein glück­li­ches, erfolg­rei­ches, muti­ges und gesun­des Jahr 2024!