Das Kunst­werk des renom­mier­ten Künst­lers Ger­hard Moritzen,

 

Erst­mals in der Geschichte vom Lokal­büro haben wir von einem auf­ge­schlos­se­nen Leser einen Leser­brief erhal­ten, der die Bitte beinhal­tet, die­sen zu ver­öf­fent­li­chen. Nach reif­li­cher Über­le­gung und in dem Bestre­ben, die Mei­nungs­viel­falt in unse­rer Leser­schaft wider­zu­spie­geln, haben wir uns dazu ent­schlos­sen, die­sem Wunsch nach­zu­kom­men und sind gespannt auf die Reso­nanz unse­rer Lese­rin­nen und Leser.

Es ist uns wich­tig zu beto­nen, dass die ver­öf­fent­lich­ten Leser­briefe nicht zwangs­läu­fig die Mei­nung der Redak­tion wider­spie­geln. Unser Ziel ist es, einen Raum für unter­schied­li­che Ansich­ten zu schaf­fen und den Dia­log inner­halb unse­rer Leser­ge­mein­schaft zu fördern.

Der ein­ge­gan­gene Leser­brief behan­delt das Thema “50 Jahre nach der Rhein­über­que­rung: Düs­sel­dor­fer Jon­ges ehren Joseph Beuys”

Vor 50 Jah­ren wurde Beuys nach Düs­sel­dorf „heim­ge­holt“. Dass daran erin­nert wird, ist recht und bil­lig. Man sollte aber immer wie­der Vor­sicht wal­ten las­sen, wenn es sich um die Ehrung oder gar Ver­eh­rung für Joseph Beuys han­delt. Allzu oft wird Beuys als gro­ßer Den­ker und poli­ti­sche Pro­phet dar­ge­stellt. Die erste Bekannt­heit bekam er sehr zu recht ab 1951 für seine Zeich­nun­gen. Sie zeig­ten neue Wege in der euro­päi­schen Zei­chen­kunst auf. Seine Erfolge als poli­ti­scher Akti­vist ab Ende der 1960er Jahre soll­ten sehr kri­tisch betrach­tet wer­den. Nein, er war nicht der große poli­ti­sche Den­ker, wie er heute noch immer gefei­ert wird. Er war durch und durch ein Nach­fol­ger von Rudolf Stei­ner, dem Grün­der der Anthro­po­so­phie. Und wer genau hin­schaut, sieht, dass er bei Rudolf Stei­ner ste­hen geblie­ben ist. Statt Ergeb­nisse einer kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus äußerte er zu die­sem Teil der deut­schen Geschichte nur sehr Ver­stö­ren­des. Aus vie­len sei­ner Worte geht her­vor, dass er sich mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus nie ernst­haft beschäf­tigt hat! 1980 von der Zeit­schrift Pent­house nach sei­nen Kriegs­er­fah­run­gen gefragt, meinte er: „Wir haben nie wie die Eng­län­der und Ame­ri­ka­ner auf Städte geschos­sen.“ Städte wie Guer­nica, Rot­ter­dam, Coven­try, sie alle fehl­ten in sei­nem Gedächt­nis. Er sprach 1982 über seine Schul­zeit. Dabei erwähnte er einen Musik­leh­rer, der als ein­zi­ger Leh­rer am Kna­ben­gym­na­sium in Kleve in Nazi-Uni­form unter­rich­tete und also der wahre Reprä­sen­tant des Ungeis­tes gewe­sen war. Die­ser Leh­rer aber, meinte Beuys, habe nach dem Krieg wie­der unter­rich­ten dür­fen und hätte sich also „nichts zuschul­den kom­men lassen“.

Die schlimms­ten Aus­sa­gen datie­ren aus der Zeit um 1980, als er den gesam­ten Ras­sis­mus ver­ges­sen machen wollte und die Bezeich­nung „Ausch­witz“ für seine Zwe­cke miss­brauchte: „Unsere Zeit ist Ausch­witz“ war seine unmiss­ver­ständ­li­che Aus­sage. Also: Erin­ne­rung ist gut, aber keine Ver­eh­rung, bitte!

Ron Man­heim
Beim Wort genom­men. Joseph Beuys und der Natio­nal­so­zia­lis­mus. Ber­lin 2021.