Die Corona-Krise zwingt auch die geschlos­se­nen Düs­sel­dor­fer Museen dazu, erfin­de­risch und pro­bier­freu­dig zu werden:
Wie pflegt man hin­ter den ver­rie­gel­ten Türen den Kon­takt zu den Besu­chern? Wie macht man auf Häu­ser auf­merk­sam, die der­zeit keine Gäste begrü­ßen dür­fen? Mit die­sen Fra­gen beschäf­tigt sich bei­spiels­weise die Mahn- und Gedenk­stätte der Stadt Düs­sel­dorf an der Müh­len­straße. Erreicht das 1987 gegrün­dete und dem Geden­ken an die Ver­folg­ten und Ermor­de­ten des Nazi­re­gimes gewid­mete Haus ansons­ten fast 30.000 Besu­cher im Jahr (viele Schul­klas­sen sind dar­un­ter), so ist jetzt Krea­ti­vi­tät in der Not­lage gefragt. „Auf Face­book läuft der­zeit unsere täg­li­che Reihe IM KESSEL/17 Tage im April, die an das dra­ma­ti­sche Kriegs­ende in Düs­sel­dorf 1945 erin­nert“, so Insti­tuts­lei­ter Dr. Bas­tian Fleermann.

17 Tage lang wird jeden Mit­tag eine Geschichte mit dazu­ge­hö­ri­gem Foto gepos­tet, das an einen April­tag aus dem Jahre 1945 erin­nert. Die Serie begann am 1. April (Schlie­ßung des Ruhr­kes­sels am 1. April 1945) und läuft täg­lich bis zum 17. April (Befrei­ung der Stadt und Kriegs­ende an Rhein und Ruhr). Es wird dabei von mili­tä­ri­schen und poli­ti­schen Ereig­nisse und Ent­wick­lun­gen erzählt, dar­un­ter auch die so genann­ten “Kriegs­end­phase-Ver­bre­chen”, bei denen Gesta­po­be­amte und SS-Ange­hö­rige Gefan­gene oder Zwangs­ar­bei­ter ermor­de­ten, aber natür­lich auch von der “Aktion Rhein­land”, die spek­ta­ku­läre Über­gabe der Stadt. Am 17. April wird die Gedenk­stätte zusätz­lich einen Pod­cast zum Thema online stellen.

Die Serie kann auf Face­book (https://de-de.facebook.com/MahnundGedenkstaetteDuesseldorf) und  auf Insta­gram (zu fin­den unter Mahn und Gedenk­stätte DÜS bzw. mahn_und_gedenkstaettedus) ver­folgt werden.

„Zum ande­ren sind wir neue Wege gegan­gen, was die vir­tu­elle Mög­lich­kei­ten unse­rer Zeit angeht“, so Fleermann.
Seit die­ser Woche gibt es einen vir­tu­el­len Rund­gang durch die Gedenk­stätte. Vom Luft­schutz­kel­ler bis zum offe­nen Archiv haben die Mit­ar­bei­ter von art.vision und WERFT 6 alles ein­ge­scannt und zum Leben erweckt.

„In Zei­ten von Corona sind wir froh, unser Haus doch irgend­wie öff­nen zu kön­nen. Viel­leicht auch eine Chance für alle, die noch nie bei uns waren. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit schwe­ren The­men ist schon eine Her­aus­for­de­rung in sich und sie müs­sen nicht erdrü­ckend prä­sen­tiert wer­den. Mit Hilfe von Licht und Archi­tek­tur kann man einen ganz neuen Zugang schaf­fen“, sagt Pro­gramm­ku­ra­to­rin Astrid Hirsch.

Im Luft­schutz­kel­ler fin­det sich die aktu­elle Son­der­aus­stel­lung “Einige waren Nach­barn” und im Julo-Levin-Raum die Son­der­aus­stel­lung „Im Niemandsland“.

Zu sehen ist der vir­tu­elle Rund­gang unter https://art.vision/mahn-und-gedenkstaette

Zum his­to­ri­schen Hintergrund
Die letz­ten Wochen des Zwei­ten Welt­krie­ges ver­lie­fen auch in Düs­sel­dorf höchst dra­ma­tisch: Die Stadt war zwei­ge­teilt. Wäh­rend das links­rhei­ni­sche Düs­sel­dorf bereits am 2./3. März 1945 von den West­al­li­ier­ten befreit wor­den war, konnte der rechts­rhei­ni­sche Teil, die eigent­li­che Kern­stadt, erst am 17. April ein­ge­nom­men wer­den. In die­sen Wochen ereig­ne­ten sich noch ein­mal zahl­rei­che Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Fana­ti­scher Durch­hal­te­wil­len paarte sich mit Unter­gangs­pa­nik und extre­mer Aggression.

Die Alli­ier­ten hat­ten Düs­sel­dorf, das Ruhr­ge­biet und das Ber­gi­sche Land ein­ge­kes­selt (daher auch der Name der Aktion “Im Kes­sel”). Der “Ruhr­kes­sel” wurde täg­lich klei­ner. Unter höchst kri­ti­schen Ver­hält­nis­sen und mit wei­te­ren Opfern konnte die Stadt schließ­lich am Mit­tag des 17. April befreit wer­den — ohne wei­tere Kampf­hand­lun­gen. Jedoch waren noch wenige Stun­den vor dem Ein­marsch der US-Sol­da­ten tap­fere Düs­sel­dor­fer Bür­ger als “Kriegs­ver­rä­ter” hin­ge­rich­tet wor­den, weil sie mit den Alli­ier­ten Waf­fen­still­stands­ver­hand­lun­gen geführt hatten.