Zum 85. Geburts­tag
Das Stadt­mu­seum zeigt in sei­ner neuen Son­der­aus­stel­lung vom 9. Okto­ber 2020 bis zum 3. Januar 2021 Plas­ti­ken und Zeich­nun­gen aus dem Ate­lier­haus des Düs­sel­dor­fer Bild­hau­ers und Zeichners

Zum 85. Geburts­tag von Bert Ger­res­heim lädt das Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf, Ber­ger Allee 2, vom 9. Okto­ber 2020 bis zum 3. Januar 2021 zur ers­ten umfang­rei­chen Aus­stel­lung in der Geburts­stadt des bedeu­ten­den Düs­sel­dor­fer Bild­hau­ers und Zeich­ners ein. Die Son­der­aus­stel­lung “Bert Gerresheim.Geschichten” zeigt Plas­ti­ken und Zeich­nun­gen aus sei­nem Ate­lier­haus. Dabei dür­fen die Plas­ti­ken von den Besu­che­rin­nen und Besu­chern nicht nur betrach­tet, son­dern auch berührt wer­den. Ent­stan­den sind die künst­le­ri­schen Erzäh­lun­gen im Zeit­raum von 1950 bis 2020. Ergänzt wird die Aus­stel­lung durch Video‑, Foto- und Text-Bei­träge von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern. Jeder kann seine per­sön­li­chen Erfah­run­gen und Mei­nun­gen zum Künst­ler, Begeg­nun­gen mit dem Künst­ler, Erleb­nisse mit den Wer­ken oder Ähn­li­ches unter dem Hash­tag #bert­ger­res­heim­ge­schich­ten auf Insta­gram pos­ten. Die Bei­träge, die mit dem Hash­tag ver­se­hen sind, wer­den dann in die Aus­stel­lung pro­ji­ziert und wer­den so ein Teil dieser.

Ein Blick ins Ate­lier- und Wohn­haus Der Bild­hauer Bert Ger­res­heim ist mit sei­nen Wer­ken viel­fach in Düs­sel­dorf im öffent­li­chen Raum prä­sent: Beson­ders bekannt sind das “Heine-Monu­ment” am Schwa­nen­markt, der “Cor­pus Christi” vom Katho­li­ken­tag, jetzt am Turm der Rochus­kir­che, und das “Stadt­er­he­bungs­mo­nu­ment” am Burg­platz. Das Stadt­mu­seum ehrt den viel­fach aus­ge­zeich­ne­ten Düs­sel­dor­fer Künst­ler zu sei­nem 85. Geburts­tag, 8. Okto­ber, mit einer eher inti­men Aus­stel­lung. Sie gewährt den Besu­che­rin­nen und Besu­chern näm­lich einen Ein­blick in die pri­vate Welt des Künst­lers, genauer gesagt in sein Ate­lier- und Wohn­haus in Ger­res­heim. Sein dort prä­sen­tes Werk aus Zeich­nun­gen und Bron­ze­güs­sen ist für die Dauer der Schau zu gro­ßen Tei­len in das Stadt­mu­seum ver­la­gert wor­den, dazu auch Mobi­liar und Werk­zeug aus dem Ate­lier. Map­pen und Skiz­zen­bü­cher sind aus­ge­legt, so dass die Besu­che­rin­nen und Besu­cher einen ganz eige­nen Zugang zum Werk die­ses inter­na­tio­nal bekann­ten Künst­lers fin­den können.

Zeich­nen von klein auf
Bert Ger­res­heim wurde am 8. Okto­ber 1935 im The­re­si­en­hos­pi­tal in direk­ter Nach­bar­schaft zu St. Lam­ber­tus in der Alt­stadt gebo­ren. Er wächst in Bilk in einem sehr katho­lisch gepräg­ten Eltern­haus auf. Schon als Kind beginnt Ger­res­heim, unent­wegt zu zeich­nen. Seine Mut­ter kennt Mut­ter Ey und zeigt ihr die Zeich­nun­gen des Soh­nes. Diese rät dazu, den Sohn auf die Kunst­aka­de­mie zu Otto Pan­kok zu schi­cken. Schon als 15-Jäh­ri­ger lernt Bert Ger­res­heim Pan­kok in Ober­kas­sel ken­nen und besucht ihn regel­mä­ßig. 1956 kommt er in die Klasse von Pan­kok an der Kunst­aka­de­mie Düs­sel­dorf. Er schließt ein Stu­dium der Kunst­ge­schichte, Archäo­lo­gie und Ger­ma­nis­tik an der Köl­ner Uni­ver­si­tät an. Erste Aus­zeich­nun­gen und Sti­pen­dien fol­gen bereits in den 1960er Jah­ren, 1967/68 ein ein­jäh­ri­ger Auf­ent­halt in der Villa Mas­simo in Rom. Von 1963 bis 1990 ist er im Schul­dienst, am Les­sing-Gym­na­sium an der Eller­straße, tätig. 1972 wird er in den “Ordo Fran­cisca­nus Sae­cu­la­ris” auf­ge­nom­men. 2018 gibt er sein lang­jäh­ri­ges Ate­lier an der Hüt­ten­straße auf und zieht in sein Eltern­haus in Gerresheim.

Der ganz eigene Weg
Bert Ger­res­heim ist in der zeit­ge­nös­si­schen Kunst­szene eine ein­zig­ar­tige Erschei­nung. Er geht kon­se­quent einen eige­nen Weg, unab­hän­gig von den Erwar­tun­gen des Kunst­mark­tes. Mit der Ent­schei­dung, bei Otto Pan­kok zu stu­die­ren, wird er zum dop­pel­ten Außen­sei­ter. In der Klasse ist er der ein­zige, der Bild­hauer wer­den möchte. Und wäh­rend sich die abs­trakte Kunst aus Frank­reich und den USA auch an der Kunst­aka­de­mie zur vor­herr­schen­den Rich­tung ent­wi­ckelt, bleibt Ger­res­heim der Gegen­ständ­lich­keit treu. Er geht über die sur­reale Welt von Max Ernst und die Mas­ken­welt von James Ensor hin­aus, er bricht die sicht­bare Ober­flä­che auf, ver­zerrt sie in soge­nann­ten “Vexier­por­träts”. Ein wich­ti­ger Zugang zu sei­nem Werk ist seine Reli­gio­si­tät. Auf­ge­wach­sen zwi­schen Katho­li­zis­mus und Kom­mu­nis­mus, fin­det er Halt im Vor­bild des Hei­li­gen Fran­zis­kus. Er lebt als Künst­ler im fran­zis­ka­ni­schen Lai­en­or­den. Der Begriff “hal­lu­zi­na­to­ri­scher Rea­lis­mus” umschreibt die Tiefe und Phan­tas­tik sei­ner Bil­der­welt. Dabei sieht er sich stets ver­wandt mit Till Eulen­spie­gel, der mit Weis­heit und Nar­re­tei der Welt den Spie­gel vorhält.

Das Leben als Pil­ger­reise
In der Son­der­aus­stel­lung sind unter ande­rem die Sant­iag­o­pro­to­kolle von Ger­res­heim zu sehen. Der Künst­ler taucht mit die­sen in die Welt des Hei­li­gen Jako­bus und der Land­schaft Gali­ci­ens im Nor­den Spa­ni­ens ein. Ger­res­heim war fas­zi­niert von der Wirk­lich­keit und der Legende des Hei­li­gen, eines der zwölf Apos­tel Jesu Christi. Der Legende nach über­gab man den Leich­nam des Apos­tels nach des­sen Ent­haup­tung einem Schiff ohne Besat­zung, das dann im nord­spa­ni­schen Gali­cien anlan­dete. Erst im 9. Jahr­hun­dert wurde das Grab wie­der­ent­deckt, die dar­über errich­tete Kapelle ent­wi­ckelte sich zum Pil­ger­ort, Jako­bus­wege füh­ren aus ganz Europa nach Sant­iago de Com­pos­tela. Die Stadt ist die Hei­mat von Ger­res­heims Assis­ten­ten Fran­cisco Ces Her­nan­dez. Die moderne Quel­len­for­schung sieht keine Bestä­ti­gung für ein Grab des Apos­tel Jako­bus in Spa­nien. Ger­res­heim nimmt den Jako­bus­weg zum Anlass für einen grö­ße­ren Kon­text und denkt in den Pro­to­kol­len über das mensch­li­che Leben als einen stän­di­gen Pil­ger­weg in der Nach­folge Christi nach.

Sehn­sucht nach Erlö­sung
Das Thema der Apo­ka­lypse beglei­tet das gesamte künst­le­ri­sche Schaf­fen von Ger­res­heim. Mit 15 Jah­ren sieht er zum ers­ten Mal Rodins “Höl­len­tor” im Ori­gi­nal in Paris, mit 17 Michel­an­ge­los Six­ti­ni­sche Kapelle und mit 18 James Ensors “Ein­zug Christi in Brüs­sel”. Seine erste große eigene Dar­stel­lung der Apo­ka­lypse stammt aus dem Jahr 1956.
Heute ist die “Keve­laer Apo­ka­lypse” von 2002 mit 260 ein­zel­nen Figu­ren sein monu­men­tals­tes Werk. Ger­res­heim ist immer wie­der tief in die Mate­rie des Tex­tes der Offen­ba­rung ein­ge­taucht und hat Bil­der dafür gefun­den. Er ist auf die Insel Pat­mos gereist, auf der Johan­nes im Klos­ter seine Offen­ba­rung emp­fing, um diese große Vision zu ver­ste­hen. In sei­nen Apo­ka­lyp­sen auf Papier, die im Stadt­mu­seum zu sehen sind, holt er die­ses End­zeit-Gericht in die Gegenwart.

Zyklus “Vexier­feld D.
Eben­falls im Rah­men der Son­der­aus­stel­lung zu sehen, sind die Zeich­nun­gen und Bron­zen zum Zyklus “Vexier­feld D.”. In die­sen geht es um Visio­nen aus der Hölle, um Bil­der des Lei­dens und des Schmer­zes. Ger­res­heim lässt offen, ob das “D.” für Düs­sel­dorf, Deutsch­land oder Dante steht. Auf jeden Fall sind die Arbei­ten in die­sem Zyklus von Dan­tes “Gött­li­cher Komö­die” inspi­riert, die eine Reise durch die Hölle, aber auch das Para­dies beschreibt.

Ger­res­heims Vexier­feld liegt im Dies­seits. Der Künst­ler, des­sen kom­mu­nis­ti­scher Onkel im KZ inter­niert war, hat als Kind Durch­su­chun­gen durch die Gestapo erlebt. Die Ver­ar­bei­tung der NS-Ver­bre­chen ent­lädt sich in Dar­stel­lun­gen von Ver­let­zun­gen und Ver­wun­dun­gen, ein “Lei­dens­feld unse­rer Selbst- und Fremdstigmatisierungen”.

Gene­rell ver­bin­det Ger­res­heim in sei­nen eige­nen Bild­wer­ken immer wie­der das mensch­li­che Leid mit dem Gött­li­chen, wenn er von dem “täg­li­chen Gol­ga­tha” spricht.

Das Sur­reale nimmt Gestalt an
In den “Vexier­gro­tes­ken” lässt Ger­res­heim sei­ner Phan­ta­sie freien Lauf. Die Bild­welt, die sich hier auf­tut, steht ganz in der Tra­di­tion von Hie­ro­ny­mus Bosch wie der Sur­rea­lis­ten. Innen­welt und Außen­welt fei­ern in der Ima­gi­na­tion des Künst­lers eine wilde Hoch­zeit, das Sur­reale nimmt Gestalt an. In den klei­nen Bron­zen ist der Künst­ler ganz bei sich, scheint Luft zu holen zwi­schen den Auf­trä­gen für Por­träts und Monu­mente. Er wen­det den Blick nach innen und fin­det dort skur­rile Tiere und wahre Mons­tren, nur gebannt durch Iro­nie und die Kunst der Dar­stel­lung. Die “Vexier­gro­tes­ken” füh­ren die “Vexier­por­träts” wie “-torsi” kon­se­quent weiter.

Den schö­nen Schein ver­zer­ren
In den “Vexier­por­träts” wird der schöne Schein der Ober­flä­che ver­wor­fen. Für Ger­res­heim ist der Mensch viel­schich­tig, wider­sprüch­lich und beherrscht meh­rere Rol­len. Das latei­ni­sche Wort “vexare” bedeu­tet ver­zer­ren. Das Vexier­bild gab es schon in der Renais­sance. Für Ger­res­heim ist es aber ein zeit­ge­nös­si­scher Ansatz, um mit heu­ti­gen Seh­ge­wohn­hei­ten und Kennt­nis­sen der Psy­cho­ana­lyse der Viel­sei­tig­keit einer Per­sön­lich­keit Aus­druck zu ver­lei­hen. Ver­zer­ren klingt erst ein­mal nach Zer­stö­rung, gemeint ist aber der Gewinn von Multi-Ver­sio­nen. Der Betrach­ter kann je nach Stand­punkt neue Dinge erken­nen und Ver­bor­ge­nes aus­fin­dig machen. Ein wich­ti­ges Requi­sit in Ger­res­heims Ate­lier sind des­halb Spie­gel, die das Gespie­gelte ver­zer­ren. Die Sur­rea­lis­ten des 20. Jahr­hun­derts haben mit Vexier­bil­dern psy­cho­lo­gi­sche Zusam­men­hänge deut­lich machen wol­len. Bert Ger­res­heim hat sich mit den Por­träts von Fran­cis Bacon aus­ein­an­der­ge­setzt, der seine Figu­ren in der Bewe­gung auf­löst. Ger­res­heim über­setzt in sei­nen Vexier­por­träts auch innere Ver­let­zun­gen ins Außenbild.

Besu­cher­infor­ma­tion
Das Stadt­mu­seum ist diens­tags bis sonn­tags von 11 bis 18 Uhr geöff­net. Der Ein­tritt in die Samm­lun­gen und Son­der­aus­stel­lung beträgt vier Euro, ermä­ßigt zwei Euro. Für Kin­der und Jugend­li­che bis 18 Jah­ren ist der Ein­tritt frei. Diens­tag bis Sams­tag gibt es von 17 bis 18 Uhr eine Happy Hour (freier Ein­tritt). Sonn­tags ist der Ein­tritt frei. Maxi­mal 50 Besu­che­rin­nen und Besu­cher dür­fen sich gleich­zei­tig unter Ein­hal­tung von Hygiene- und Abstands­re­geln in dem Haus auf­hal­ten. Wei­tere Infor­ma­tio­nen unter www.duesseldorf.de/stadtmuseum.html