Der Rat hat sich in sei­ner Sit­zung am Don­ners­tag, 18. März, für den Stand­ort zwi­schen Rhein und KIT ausgesprochen

Mit der Arbeit des Künst­lers Claus Rich­ter “Ein selt­sam klas­si­sches Denk­mal” wird auf der Wiese nörd­lich des Apol­los ein Ort für die Erin­ne­rung und Akzep­tanz von geschlecht­li­cher und sexu­el­ler Viel­falt ent­ste­hen. In sei­ner Sit­zung am Don­ners­tag, 18. März, beschloss der Rat der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf den Stand­ort zwi­schen Rhein und KIT für die Rea­li­sie­rung der Plas­tik. Ange­strebt wird der­zeit eine Auf­stel­lung im Herbst.

Erinnerungsort für die LSBT*- Community entsteht auf der Apollo-Wiese

Im März 2018 fand in Zusam­men­ar­beit zwi­schen dem “Forum Düs­sel­dor­fer Lesben‑, Schwu­len- und Trans*Gruppen” sowie der Mahn- und Gedenk­stätte ein offe­ner Werk­statt­tag statt, bei dem sich die Teil­neh­men­den über einen Gedenk­ort in der Stadt aus­tausch­ten, an dem der wäh­rend der NS-Herr­schaft und in der Nach­kriegs­zeit ver­folg­ten Homo­se­xu­el­len gedacht wer­den soll. Im Ergeb­nis wurde die Kunst­kom­mis­sion gebe­ten einen Wett­be­werb aus­zu­lo­ben, mit dem Ziel in Rhein­nähe einen Erin­ne­rungs­ort zu schaf­fen, der jedoch nicht nur als Mahn­mal dient, son­dern auch der akti­ven Erin­ne­rung. Auf Emp­feh­lung der Kunst­kom­mis­sion hatte der Kul­tur­aus­schuss die Durch­füh­rung eines zwei­stu­fi­gen Wett­be­werbs für die Rea­li­sie­rung einer künst­le­ri­schen Lösung in zen­tra­ler Lage zwi­schen Rhein­knie­brü­cke und Rhein­ter­rasse beschlossen.

Den aus­ge­lob­ten Wett­be­werb gewann der Künst­ler Claus Rich­ter mit sei­ner Arbeit “Ein selt­sam klas­si­sches Denk­mal”. Er setzte sich mit sei­nem Ent­wurf gegen 12 inter­na­tio­nale gela­dene Künst­le­rin­nen und Künst­ler durch. Die Ver­wal­tung wurde beauf­tragt, im Ein­ver­neh­men mit dem Künst­ler den für den Ent­wurf best­ge­eig­ne­ten Stand­ort zu klä­ren. Im Rah­men einer gemein­sa­men Bege­hung des in Frage kom­men­den Bereichs mit dem Künst­ler und den wei­te­ren Prot­ago­nis­ten sowie den Fachäm­tern iden­ti­fi­zierte man ein­stim­mig die Wiese nörd­lich des Apollo zwi­schen Rhein und KIT als idea­len Standort.

“Ein Haupt­grund für den aus­ge­wähl­ten Ort ist darin zu sehen, dass an die­ser Stelle eine leben­dige Erin­ne­rungs­kul­tur mög­lich ist mit der Durch­füh­rung von Schü­ler­kur­sen, Tref­fen etc. in einem ruhi­gen, ange­neh­men Sur­roun­ding”, führte Dr. Fleer­mann von der Mahn- und Gedenk­stätte aus. Die Geschäfts­lei­tung der Kunst­kom­mis­sion, Nico­las Grosch ergänzt, “dass an die­ser Stelle alle vier Figu­ren glei­cher­ma­ßen und somit gleich­be­rech­tigt zur Gel­tung kom­men”, was an kei­nem ande­ren Platz im aus­ge­lob­ten Bereich in die­ser Art mög­lich gewe­sen wäre. “An die­ser Stelle ist durch die Anbin­dung an den CSD-Start­punkt ein star­ker Kon­text in den vor­han­de­nen Raum gege­ben”, stellte Chris­toph Wes­ter­meier, Mit­glied der Arbeits­gruppe der Kunst­kom­mis­sion für die­ses Pro­jekt fest. Für die Aus­stel­lung des Kunst­wer­kes ist ein Ter­min im Herbst 2021 in Pla­nung, und er ergänzt, dass daher eine zeit­li­che Nähe des Auf­stel­lens zum dies­jäh­ri­gen CSD schön wäre.

Der Künst­ler Claus Rich­ter und sein Ent­wurf
Claus Rich­ter, gebo­ren 1971 in Lipp­stadt, ist ein zeit­ge­nös­si­scher deut­scher Künst­ler. Er lebt und arbei­tet in Köln. 2003 absol­vierte er das Stu­dium an der Hoch­schule für Gestal­tung Offen­bach am Main. Seine künst­le­ri­sche Pra­xis ist mul­ti­me­dial und lässt sich auf kein Genre festlegen.

Der Ent­wurf von Claus Rich­ter reiht sich auf den ers­ten Blick ganz bewusst in die Viel­zahl bestehen­der Bron­ze­fi­gu­ren in Düs­sel­dorf ein. Erst die nähere Betrach­tung und Aus­ein­an­der­set­zung zeigt die iro­ni­sche Bre­chung. Der Ent­wurf sieht eine Figu­ren­gruppe vor, die die Hände zum Teil zu Fäus­ten geballt oder zum Vic­tory-Zei­chen ver­schränkt empor streckt. Die Gruppe steht ver­eint auf einem Stu­fen­so­ckel aus Beton. Die vier Figu­ren sym­bo­li­sie­ren alle Spek­tren sexu­el­ler Aus­rich­tung: eine femi­nine, schein­bar bio­lo­gisch männ­li­che Figur, eine eher mas­ku­line, schein­bar bio­lo­gisch männ­li­che Figur, eine glatz­köp­fige schein­bar bio­lo­gisch weib­li­che Figur und eine eher femi­nine schein­bar bio­lo­gisch weib­li­che Figur. Die genau defi­nier­ten Gesich­ter heben sich bewusst von den grob model­lier­ten Kör­pern ab.

Ergänzt wird das Denk­mal um eine tra­di­tio­nelle Tafel mit fol­gen­der Inschrift: “Ort für die Erin­ne­rung und Akzep­tanz von geschlecht­li­cher und sexu­el­ler Viel­falt. Die­ser Ort ist den Les­ben, Schwu­len, Bi- und Trans*, die Opfer von Gewalt, Ver­fol­gung und Dis­kri­mi­nie­rung in Düs­sel­dorf wur­den, gewid­met. Und all denen, die in Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft für geschlecht­li­che und sexu­elle Viel­falt einstehen.”

Zum his­to­ri­schen Hin­ter­grund:
Bereits im Deut­schen Kai­ser­reich waren sexu­elle Hand­lun­gen unter Män­nern nach Para­graf 175 des Straf­ge­setz­bu­ches ver­bo­ten. Wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­den Homo­se­xu­elle zu “Volks­schäd­lin­gen” erklärt und ver­folgt. Bis August 1938 ver­haf­tete allein die Gestapo in Düs­sel­dorf etwa 400 Män­ner. Damit war Düs­sel­dorf die Stadt mit den meis­ten Fest­nah­men nach Para­graf 175 in ganz West­deutsch­land.
Die Gerichte in Düs­sel­dorf ver­häng­ten durch­schnitt­lich fünf bis sechs Monate Gefäng­nis für Ver­stöße gegen den § 175. In Gefäng­nis­sen und Straf­ge­fan­ge­nen­la­gern wur­den homo­se­xu­elle Häft­linge nach Mög­lich­keit in Ein­zel­haft genom­men und beson­ders gefürch­te­ten Arbeits­kom­man­dos zugeteilt.

Unab­hän­gig von einem Gerichts­ur­teil ver­fügte die Gestapo über die Mög­lich­keit, Men­schen in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ein­zu­lie­fern. In Düs­sel­dorf wur­den sol­che KZ-Ein­wei­sun­gen als “Kor­rek­tur” gericht­li­cher Urteile vor­ge­nom­men, also etwa nach Ent­las­sung aus der Unter­su­chungs­haft, nach einem Frei­spruch im Gerichts­ver­fah­ren oder unmit­tel­bar nach der Straf­ver­bü­ßung. Der Kri­mi­nal­po­li­zei war es zudem mög­lich, im Rah­men einer “Vor­beu­gen­den Ver­bre­chens­be­kämp­fung” Homo­se­xu­elle als “Sit­ten­strol­che” oder “Trieb­ver­bre­cher” in “Vor­beu­ge­haft” zu neh­men. Diese wurde eben­falls in KZs voll­streckt. Im Ein­klang mit dem “Gesetz gegen gefähr­li­che Gewohn­heits­ver­bre­cher” konn­ten schwule Män­ner “ent­mannt” wer­den. Diese Zwangs­kas­tra­tio­nen wur­den in der Regel in der Kran­ken­ab­tei­lung des Gefäng­nis­ses “Ulmer Höh” durchgeführt.